APA, EK – Thomas Dreßen lernt schnell. War er vor einer Woche als Wengen-Fünfter noch überzeugt davon, dass er für Kitzbühel noch zu unerfahren ist, so belehrte er nicht zuletzt sich selbst am Samstag eines Besseren. Der 24-Jährige schnappte sich die Goldene Gams. Cheftrainer Mathias Berthold stellte zum zweiten Mal innerhalb von fünf Auflagen den Streifsieger.
In jeder Abfahrt dieses Winters war Dreßen unter den besten 14, im Dezember in Beaver Creek kam er als Dritter erstmals in seiner Karriere auf das Podest. „Kitzbühel ist Kitzbühel. Es ist DAS Rennen neben Olympia, der Traum eines jedes Abfahrers, dass man da mal vorne mitfährt. Aber das erwarte ich heuer noch nicht, da braucht es schon viel Erfahrung“, hatte Dreßen noch nach dem Lauberhornrennen gemeint.
Deshalb ist auch Berthold beeindruckt vom Lerntempo Dreßens. „Er erinnert mich ein bisschen an den Mayer Matthias, der vielleicht in der Zeit noch einen Schritt vor dem Thomas war.“ Es fehle Dreßen noch an Erfahrung, der DSV will deshalb behutsam vorgehen. „Wir haben für ihn eine klare Marschrichtung, wir geben ihm ein paar Kurven vor, die er beim ersten Training Vollgas fahren muss, und ein paar, wo er einfach ein bissl seine Linie testen kann. Das hat er durchgeführt wie einer, der schon zehn Jahre in Kitzbühel ist. Klasse, was er in seinem Alter schon macht“, sagte der frühere ÖSV-Herren-Rennsportleiter, unter dessen Führung 2014 Hannes Reichelt die Kitzbühel-Abfahrt gewann.
In Kitzbühel, nach dem Super-G am Freitag mit den Deutschen Andreas Sander auf acht, Dreßen auf 15 und Josef Ferstl auf 18 habe man sich bei der Besprechung darauf geeinigt, dass in der Abfahrt die Körpersprache offensiver und aggressiver sein sollte, erklärte Berthold.
„Ich habe ein Zitat vom Mayer Matthias gebracht, der gesagt hat, ‚Wenn man vorne dabeisein will, muss man alles geben, und wenn man dosiert, ist man nicht vorne mit dabei‘. Das trifft es ganz genau, so sind wird das Thema angegangen“, schilderte Berthold. Für das Rennen habe er dem Athleten „Attacke“, vorgegeben, aber nicht unbedingt total ans Limit zu gehen.“Cool bleiben, attackieren, aber nicht hasardieren. Das ist ganz wichtig, weil wir wollen nicht, dass Thomas an die hundert Prozent rangeht, sondern dass er in einem Bereich ist, in dem er sich sicher fühlt.“ Dreßen fahre „immer gedrosselt“, man wolle „die Jungs nicht verheizen oder in Situationen reinhetzen, die nicht notwendig“ seien.
Deshalb hat der Deutsche Skiverband auch schon einen Plan in der Tasche, was man in Erfolgsfällen wie diesem macht. „Wir haben einen Plan für alle Szenarien, die auf uns zukommen. Er weiß genau, was zu tun ist, das haben wir festgelegt. Du musst demütig und bescheiden bleiben, es kommen schnell andere Tage. Wenn wir in Garmisch beim Training am Start stehen, kannst du dir für diesen Kitzbühel-Sieg nichts mehr kaufen.“
Auch der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier hofft, dass Dreßen auf dem Boden bleiben und sich nicht vom Weg abbringen lassen wird. „Ein Kitzbühel-Sieger wird einen Lebensruhm haben. Thomas ist ein sehr bescheidener junger Mann, jemand der noch Bitte, Danke und diese Anstandsformeln kann. Wir werden versuchen, ihn von unserer Seite zu erden, so gut es geht.“ Man werde sehen, wie er reagiert, wenn jetzt „Geschäftemacher und Manager auf ihn zukommen“. „Aber im Augenblick habe ich das Gefühl, dass er sehr ruhig und überlegt mit dem Thema umgeht.“
Für Dreßen ist Berthold eine wichtige Bezugsperson geworden. „Nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch ist er brutal wichtig für mich. Ob das jetzt skifahrerisch oder privat ist, er hilft dir immer weiter und ist eine extreme mentale Stütze für einen Athleten, speziell für mich. Ich bin heilfroh, dass wir ihn im Deutschen Skiverband haben, auch den Christian Schwaiger.“ sagte Dreßen.
Die hat Berthold, der den besonderen Zusammenhalt in der Mannschaft hervorhob: „Ich glaube, uns macht als Team stark, dass wir als Team sehr viel kommunizieren und extrem viel miteinander arbeiten. In unserem Haus, wo wir hier alle zusammen sind, reden wir viel und über alles. Es macht extrem Spaß, mit dem Team zu arbeiten.“
Als Berthold 2014 den Job als deutscher Herren-Cheftrainer antrat, hatte er die Vision, 2018 einen Athleten im Speedbereich so weit gebracht zu haben, dass dieser bei den Olympischen Spielen um Medaillen mitfahren wird können. „Da sind wir jetzt. Es gibt nichts hinzuzufügen. Jetzt liegt es an uns, was Ordentliches daraus zu machen.“ Maier wollte Berthold damals in seinen Erwartungen bremsen, denn der DSV sei nicht der ÖSV.
Maier vergleicht Dreßen mit Aksel Lund Svindal, Berthold mit Mayer. Ob Dreßen wie der 2014 ähnlich junge Mayer (damals 23) nun auch der Topfavorit auf Olympia-Gold ist? „Das lässt sich nicht wegdiskutieren, wenn du Kitzbühel gewinnst unmittelbar vor Olympia, dass du dann einer der Goldfavoriten bist“, meinte Berthold. „Korea ist komplett anders von den Bedingungen her. Es ist schon eine Abfahrt, die der Thomas fahren kann. Aber man muss schauen, welche Rahmenbedingungen sind, und ich würde uns nicht zwingend zu den Medaillenkandidaten zählen“, meinte Maier. Und Dreßen sagte: „Ich bezeichne mich immer noch als Außenseiter, ich bin noch relativ jung und habe noch nicht die Erfahrung. Bei Olympia war ich noch nie. Aber ich werde das genauso angehen, wie jedes andere Rennen auch und schauen, dass ich meine Leistung abrufen kann.“
Das nächste ist aber die Garmisch-Abfahrt am kommenden Samstag. „Als Werdenfelser freue ich mich natürlich ganz besonders auf das Rennen in Garmisch-Partenkirchen. Zu wissen, dass die Familie, Freude und Bekannte im Ziel stehen, ist eine ganz besondere Motivation für mich. Die Kandahar ist eine fordernde und schwere Abfahrt. Man muss technisch sauber Skifahren, und das werde ich versuchen.“ sagt Thomas Dreßen.
Berthold vertraut an seiner Athleten: „Für Andreas Sander, Josef Ferstl, Thomas Dreßen und Manuel Schmid gilt es, sich vom ersten Training an auf die spezifischen Anforderungen der Kandahar einzustellen. Form und Motivation sind gut und daher starten wir zuversichtlich in die letzten Rennen vor den Olympischen Spielen.“
Foto: Agence Zoom
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