APA, EK – Die bayerischen Landesfarben Weiß und Blau haben am Samstag in Kitzbühel am hellsten gestrahlt. Dafür verantwortlich war Thomas Dreßen, der sensationell den Abfahrtsklassiker auf der Streif gewann. „Es ist einfach nur ein richtig, richtig cooles Gefühl“, meinte der Oberbayer, der spätestens jetzt der personifizierte Aufschwung der deutschen Speed-Mannschaft ist.
Von klein auf habe er davon geträumt, ein Weltcup-Rennen zu gewinnen. Dass das ausgerechnet im Downhill-Mekka Kitzbühel klappte, hatte vielleicht auch etwas Schicksalhaftes an sich. Denn Dreßen profitierte von seiner hohen Startnummer 19, die ihm die in der Weltrangliste vor ihm platzierten Hannes Reichelt und Aleksander Aamodt Kilde praktisch überlassen hatten. Als Hannes Reichelt am Vorabend seine Nummer wählen durfte, waren noch 1, 17 und 19 offen. Er entschied sich für die 1, Aleksander Aamodt Kilde (NOR) die 17 und für Dreßen blieb die 19 übrig. Dem voran ging ein Geplauder, in dem Dreßen zu Reichelt gesagt hatte, dass er lieber nicht die 1 hätte, denn so oft sei er in Kitzbühel noch nicht runtergefahren, und er wolle sich noch ein paar Läufer ansehen. Daraufhin habe sich Reichelt angeboten. „Mach dir nichts draus, wenn es die 1 noch gibt, nehm‘ ich sie.“ Woraufhin ein großes Danke vom Deutschen an den Österreicher ging.
„Ich habe mir die ersten fünf Athleten angeschaut im Fernsehen und habe dann für mich einen Plan gemacht. Den wollte ich einfach zu hundert Prozent umsetzen. Das ist mir, glaube ich, gelungen“, erzählte er. Der FC-Bayern-Fan kam dabei in den Genuss relativ guter Sichtverhältnisse, da die Sonne vor seiner Fahrt herausgekommen war. „Als ich aus dem Starthaus rausgeschaut habe, habe ich gedacht, die Sicht ist jetzt nicht so schlecht gerade. Die Fahrt an sich war mit Sicherheit auch recht gut“, übte sich der 24-Jährige aus Mittenwald in Understatement.
Auch wenn Dreßen mit einer Österreicherin liiert ist und derzeit in Scharnstein bei Gmunden lebt, trägt er in erster Linie seine Heimat im Herzen. Als er bei der Sieger-Pressekonferenz gebeten wurde, ein paar Zeilen des Haindling-Songs „Bayern“ zum Besten zu geben („Bayern, des samma mir…“), ging ihm das mühelos über die Lippen und wirkte auch nicht aufgesetzt. Auch nicht die Zeile über Bier, das angebliche flüssige Brot im Freistaat.
Dabei ist Oberösterreich nicht das einzige österreichische Bundesland, zu dem es einen starken Konnex gibt. Dreßen besuchte einst sowohl die zuletzt in die Schlagzeilen geratene Ski-Hauptschule Neustift sowie das Skigymnasium Saalfelden. In Tirol ereignete sich das traurigste Kapitel seiner Lebensgeschichte, darüber ist schon viel berichtet worden. Als Dreßen elf Jahre alt war, kam sein Vater in Sölden bei einem Unfall ums Leben. Damals verlor ein Hubschrauber genau über einer Seilbahngondel einen 750 Kilogramm schweren Betonkübel. Dirk Dreßen, ein ehemaliger Biathlet, der zu dem Zeitpunkt eine Schülergruppe betreute, war einer von neun Menschen, die starben. Heute ist der Ferienort im Ötztal Dreßens Privatsponsor.
„Das ist mir durch den Kopf gegangen“, sagte Dreßen im Moment seines bisher größten Triumphes. „Aber besonders möchte ich auch meiner Mama danken, wenn die mich nicht so unterstützt hätte und hinter mir gestanden wäre, wäre ich jetzt nicht da. Der Dank geht nicht nur nach oben.“ Martina Dreßen verlor damals ihren Mann und den Vater ihrer Söhne Thomas und Michael. Nichtsdestotrotz ging Thomas Dreßen seinen Weg, der ihn vielleicht zu dem prominentesten Hoffnungsträger der deutschen Ski-Herren für die Zukunft machte.
Die Speed-Herren des Deutschen Ski-Verbandes (DSV) haben in diesem Weltcup-Winter bereits einige historische Pflöcke eingeschlagen: erstes Speed-Podest seit 2004, erster Super-G-Sieg seit 1991, erster Abfahrtssieg seit 2004 und zugleich erster Kitzbühel-Sieg seit 1979. Den hatte ein gewisser Josef Seppi Ferstl geholt, der auch am Samstag in Kitzbühel war und Dreßen gratulierte. „Er hat sich auf alle Fälle gefreut und gesagt, superschön, dass das
jetzt einmal vorbei ist, die 39 Jahre.“
In der Olympia-Saison geht es für die Deutschen zwar in einer Wellenbewegung, aber doch steil bergauf. „Grundsätzlich muss man sagen, wir haben einfach ein Superteam, angefangen bei den Trainern, über Serviceleute bis zu Physios, und auch wir Athleten helfen immer zusammen“, erklärte Dreßen. „Wir probieren immer, vom anderen was zu lernen und uns immer weiterzuentwickeln. Natürlich haben wir das die letzten Jahre schon ganz gut gemacht, heuer ist eben der wirklich letzte Schritt einmal passiert.“ Er bezeichne sich noch immer als Außenseiter.
Seinen ersten Sieg wollte er gebührend feiern. „Ich bin schon eher ein Feiertyp und werde da mit Sicherheit mit dem ein oder anderen mal anstoßen“, meinte Dreßen. „Ich glaube das gehört auch dazu, denn wir opfern so viel über das ganze Jahr. Wenn wir uns so unserem Sport verpflichten, muss man auch feiern können, wenn man was gewinnt.“
Live aus Kitzbühel: In Gespräch mit Thomas Dressen und Beat Feuz
Video: skionline / Helen Scott-Smith
Foto: Agence Zoom
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